
Arpepe
„Inferno Sesto Canto“ Riserva Valtellina Superiore DOCG
2018
„Viticultura eroica“ oder: Per fango ad astra!
92/100 – Falstaff
Im Sechsten Gesang („Sesto Canto“) von Dantes „Divina Commedia“ geht es den Vielfraßen an den Kragen: Im dritten Kreis der Hölle „vierteilt, zerkratzt und schindet“ die dreifach hundsköpfige Höllenbestie Kerberus die Seelen derer, die sich der Todsünde der Völlerei schuldig gemacht haben. Dass ein zum Genuss bestimmtes Gut wie ein großer Rotwein ausgerechnet nach dieser Passage der Weltliteratur benannt ist, mutet freilich vergleichsweise befremdlich an. (Fairerweise sollte man erwähnen, dass signor Alighieri in diesem canto weder Wein noch Trunkenheit thematisiert, ja noch nicht einmal beim Namen nennt, sondern ausschließlich den Fressern stinkende Fangopackungen verpasst!). Führt man sich allerdings vor Augen, dass eine der fünf herausragenden Einzellagen im Valtellina „Inferno“ heißt und analog zum dritten Höllenkreis in der dritten Haarnadelkurve einer Straße namens „Circuito dell’Inferno“ (Höllenfahrt) zu finden ist, dann erklärt sich die ausgefallene Bezeichnung im Grunde von selbst. Und ganz so ungewöhnlich ist der infernalische Lagenname auch wieder nicht, wenn man bedenkt, dass es hierzulande – etwa mit der Hochheimer Hölle, dem Roxheimer Höllenpfad oder dem Assmannshäuser Höllenberg – ähnliche benamste „teuflische Heimstätten“ gibt. Es war Arturo Pelizzatti Perego, der das bereits 1860 gegründete (und heute nach seinen Initialen benannte) Weingut ArPePe 1984 wiederbelebte. Er träumte davon, in dem 450 Metern hoch gelegenen und nur einen Hektar großen Weinberg eine „Riserva di Inferno“ zu erzeugen – ein Traum, der erst von seinen Kindern Isabella, Emanuele und Guido erfüllt werden konnte. Tatsächlich erfordert die Bewirtschaftung der nach Süden ausgerichteten Granitterrassen mit ihren 50 Jahre alten Rebstöcken eine nahezu heroische Attitüde, eine viticultura eroica, die mit schwindelerregend steilen Hängen ebenso zurechtkommen muss wie mit harten, felsigen Böden. (Ringsumher wird die Lese regelmäßig mit Hilfe von Seilbahnen und sogar Hubschraubern durchgeführt.) Höllen-Vergleiche scheinen also keineswegs übertrieben, berücksichtigt man, wie mühsam der Anbau in den atemberaubend steilen Bergen ist, der fast vollständig mit Handarbeit einhergeht. Denn trotz geringer Erträge erfordert dieser äußerst elegante Wein einen erheblichen personellen Mehraufwand: Kann eine einzelne Person etwa in der Langhe rund zehn Hektar Reben pro Jahr bewirtschaften, so ist es im Valtellina kaum mehr als ein Hektar. Darüber hinaus bringt die traditionelle Weinbereitung einen enormen zeitlichen Mehraufwand mit sich: Während der 137 Tage (!) dauernden Mazeration in Holzbottichen wurden reichlich Aroma- und auch Gerbstoffe aus den Beerenhäuten herausgelöst. Die insgesamt 42-monatige Reifung in Holzfässern, Stahltanks und auf der Flasche hat alle Geschmackskomponenten harmonisch zusammengeführt. Das Ergebnis ist ein granatrot schimmernder, recht transparenter Wein, dessen Bouquet mit kräutrig-balsamischen Noten nicht hinterm Berg hält, dann gen Frucht abdriftet (süße und saure Kirschen, schwarze Johannis- und Preiselbeeren, etwas Zwetschge), um sich dann in Richtung Rosenblüte (Kategorie Potpourri), Leder und Rauch aufzumachen. Am Gaumen halten sich die zartherben, säuerlich-saftigen Fruchtnoten und würzige Noten (Pfeffer, Koriandersaat, grasige Akzente und getöstete Haselnüsse sowie helle Sojasauce) die Waage. Noch junges, recht distinktes, sehr feinkörniges Tannin, das den langen, leicht salzig-fruchtigen Abgang beflügelt. Kurzum: höllisch gut!
Ab sofort und bis 2040 und länger.
Via del buon Consiglio 4
23100 Sondrio (SO)
ITALY