Guillemot
Savigny-lès-Beaune „Dessus des Gollardes“, blanc 2023

„Die Rebsorte ist nicht so wichtig wie das Terroir.“ So einen Satz wird man im Burgund von allen Winzern zu hören bekommen, sollte man es bei all’ der Selbstverständlichkeit, aller Schweigsamkeit über Kellertechniken und dergleichen überhaupt noch wagen, Fragen zu stellen. Dieser Begriff Terroir, wo auch immer er sonst in der Welt Gebrauch finden sollte und sogar Definitionen erfährt; hier ist er magisch. Das Resultat, ein volles Glas in Händen der Erzeuger panachiert geschickt alle Technik, alles Materielle – davor steht bewahrt nur der spezifische Charakter eines Terroirs, eines Jahrgangs – die Magie. Dahinter verbergen sich aber ungemein viele, äußerst spannende Dinge, die zu wissen wirklich nicht schaden kann. Dieser Eleganz-Protz „Dessus des Gollardes“ ist zum Beispiel nicht ein, wie im Burgund üblicher reiner Chardonnay. Auf den 1,4 Hektar, die Philippe und Vincent Guillemot auf dieser Lage bewirtschaften, wachsen zu 70 % Pinot Blanc und nur zu 30 % Chardonnay. Diese Pinot-Blanc-Reben sind auch noch eine ausgesprochene Rarität für sich: Es handelt sich um sogenannten Pinot Gouges, einen Klon, der zuerst auf der Domaine Henri Gouges gefunden wurde. Und so ganz unschuldig ist die Weinbereitung auch nicht an der phänomenalen Aromenpracht und an den Reizen, die dieser Savigny-lès-Beaune auf den Zunge ausspielt. Von den kiesigen Kalkböden kommen die Trauben nämlich zuerst einmal heruntergekühlt für zwei Tage in Tanks. Bei dieser schonenden Mazeration gehen Farbe und Tannine in Lösung. Wenn der Most dann gären darf, wird die Hefe einmal pro Woche aufgerührt – auch hier bekommt der Wein ein Paar seiner bestechenden Details mit auf den Weg. Einer Reifung von 15 Monaten im 600-Liter-Fass schließt sich eine weitere Reifung in zum Teil neuen Fässern (20 %) an. Erst hier bekommt Guillemots Prachtstück seine dezenten Holznoten. Terroir ist wirklich so viel mehr als nur ein Stück Land oder ein Mikroklima. Die tradierte Vorstellung, wie ein Wein idealerweise zu sein hat, die ebenfalls tradierten Techniken solche Ideale zu erreichen sind zumindest bei den Guillemots immer mitgemeint. Philippe und Vincent Guillemot haben den „Dessus des Gollardes“ zwar weder geschönt noch gefiltert, im Glas erscheint er aber dennoch vollkommen klar. Sein Strohgelb ist herrlich und sein Bouquet füllt den Raum schon im Moment des Einschenkens. Flint, buttriges Karamellgebäck, Unmengen an Gestein drängen zuerst hervor. Zitrisches (frisch abgeriebene Zesten von Zitrone und Limette, ein Hauch kandierter Orange) rauscht im Verbund mit Apfel, Birne und Pfirsich heran. Die lange Zeit auf der Hefe hat neben den Gebäcktönen noch kräftig Haselnuss und Mandel entstehen lassen und wenn dann sogar noch getrocknete Frühlingsblüten und frisches Gras nachgereicht werden ist es Glückes genug. Auf der Zunge finden Eleganz und Balance statt, die selbst große Weinkenner nicht allzu oft spüren dürfen. Nicht müde oder gar faul wirkt diese Perfektion, alles ist in Bewegung: mildeste, aber deutliche Säure wird mit den sorgsam dosierten Tanninen und dem Hauch Süße versehen, dass sich Spannung genug ergeben kann, die bis zum letzten Schluck Neugier wachhält. Wir werden noch viele Jahre diesen 2023er erleben können – die Weine der Guillemots gelten als sehr langlebig. Hurra!