Christmann
Vogelsang Riesling Großes Gewächs 2024

97/100 – James Suckling
93/100 – Vinous

Es gibt Weinberge, die einst einen exzellenten Ruf hatten, dann jedoch im Bewusstsein der Menschen verschwanden. Das hängt vor allem davon ab, ob es Winzer gibt, die aus solchen Lagen erinnerungswürdige Weine erzeugen. Der Neustadter Vogelsang etwa lieferte im 19. und frühen 20. Jahrhundert Wein an den bayerischen Königshof, geriet jedoch durch Spekulationen auf Bauland in Vergessenheit. Glücklicherweise wurde die Anhöhe samt Weinberg unter Schutz gestellt. Sein Potenzial durfte er lange Zeit trotzdem nicht beweisen – bis ihn 2017 Familie Christmann übernehmen konnte, die aus einer weitgehend „totgespritzten“ Anlage ein biodynamisch bewirtschaftetes Biotop geschaffen hat. Der Boden besteht hier aus über 200 Millionen Jahre altem Muschelkalk, der beim Einbruch des Oberrheingrabens an die Oberfläche gelangte und an der Mittelhaardt in dieser Form einzigartig ist. Mit bis zu 280 Metern zählt der Vogelsang zu den höchsten Lagen der Mittelhaardt und mit einer Hangneigung von 25 % auch zu den steilsten. Wie kühl es dort werden kann, merkt man diesem ultrastraffen Riesling sofort an. Er ist ein wahres Geschoss, entstanden in reiner Handarbeit. Die Trauben wurden am 19. und 22. September gelesen, als Ganztrauben direkt gepresst und in einer spontanen, warmen Vergärung im großen Holzfass ausgebaut. Bis Juli 2025 reifte der Wein auf dem Trub.

Aus dem Glas steigen Düfte von nassem Gestein und Austernschalen, von Flechten, Blattwerk und Gartenkräutern, begleitet von Limetten- und Zitronenschalen, Speiseapfel und etwas Mostapfel. Am Gaumen zeigt er einen Punch, wie man ihn von einem Brut-Nature-Sekt kennt. Das Vogelsang-GG besitzt die Säurespannung eines Sektgrundweins, ergänzt durch eine feine Seidigkeit vom Hefelager. Aromatisch bewegt er sich zwischen grüner Ananas, intensiver Zitrusfrucht vom Saft über Kerne bis zu Zesten. Hinzu kommen grüne Kernobstnoten und etwas grünes Steinobst. Es ist der kühlste Riesling des Hauses, der spannendste und vibrierendste, zugleich aber auch der kargste. Ein Wein für Puristen – eben erst am Anfang seiner Entwicklung, aber schon jetzt mit beeindruckender Tiefe, Länge und Strahlkraft ausgestattet.