Falkenstein
Krettnacher Auf dem Hölzchen Riesling Kabinett trocken (AP21) 2024

Riesling mit Tiefenschärfe: ein Saar-Kabinett schwimmt gegen den Strom

Es gibt Weine, die laut sind, glänzen, verführen und beeindrucken möchten. Und dann gibt es Weine wie diesen: still, präzise, eigensinnig – ein Riesling von der Saar, der nicht um jeden Preis gefallen will, sondern Haltung zeigt. Der 2024er Krettnacher Auf dem Hölzchen Kabinett trocken ist ein bemerkenswerter Ausdruck dessen, was möglich ist, wenn Terroir, Tradition und handwerkliche Konsequenz aufeinandertreffen. Schon in der Nase zieht uns dieser Riesling in seinen Bann: reifer Apfel, zarte Quitte, ein Hauch von Brotkrume, unterlegt von rauchigen Spontangäraromen und einer steinig-staubigen Kühle, die den Schieferboden förmlich eratmen lässt. Hinzu kommen Zitronenschale, ein Hauch von Minze, grüne Apfelschalen, ein Anflug von Salbei und Wermut – herb, belebend, animierend. Diese Aromen erzählen nicht von Überreife oder barocker Opulenz, sondern von Frische, Klarheit und kompromissloser Herkunftstreue. Am Gaumen zeigt sich dieser Kabinett filigran und druckvoll zugleich – ein paradox anmutendes Zusammenspiel, das nur großen Rieslingen gelingt. Die Säure ist straff, brillant und lebendig, dabei aber perfekt eingebunden in eine Textur, die mit feinem Gerbstoffgrip und mineralischem Rückgrat überzeugt. Ein zart-cremiger Schmelz schwingt mit, kaum merklich, aber doch spürbar, wie ein warmer Windhauch an einem kühlen Frühlingstag. Die salzig-zitronige Frische im Finale lässt den Wein tänzeln, gibt ihm Länge und Leichtigkeit, ohne je ins Seichte zu entgleiten. Die Trauben stammen von 50 bis 60 Jahre alten Reben, die oberhalb des Ober Schäfershauses in der Parzelle „Auf dem Hölzchen“ wurzeln – einem besonders privilegierten Abschnitt des Krettnacher Altenbergs, der im Dorf auch als „Silberberg“ bekannt ist. Die Böden sind hier ein Mosaik aus grauem Schiefer, Quarz und Diabas und geben dem Wein seine herbe Mineralität und kräuterwürzige Tiefe. Die Handlese erfolgt parzellenrein und mit größter Sorgfalt. Danach: Ganztraubenpressung, Absitzen über Nacht und dann der Weg ins Fuderfass – ganz traditionell und ganz still. Ohne Zusätze oder Beschleunigung, nur mit Geduld, Gravitation und Vertrauen. Das Ergebnis ist ein trockener Kabinett, wie man ihn heute nur noch selten findet: leicht im Alkoholgehalt, aber keineswegs leichtgewichtig. Er ist elegant, kühl und subtil mit jener pikanten Saar-Säure ausgestattet, die einst das Markenzeichen der Region war und heute wieder das Sehnsuchtsziel all jener ist, die Riesling als präzises Handwerk und nicht als süßes Versprechen begreifen. In Zeiten, in denen viele Weine immer reifer, lauter und dichter werden, ist dieser „Hölzchen“ ein leiser Widerstand. Ein Wein, der nicht von Jahrgangsunwägbarkeiten überrollt, sondern von ihnen geformt wurde. Ein Wein, der dem Klimawandel nicht mit mehr Alkohol, sondern mit mehr Charakter begegnet. Der zeigt, dass großer Geschmack oft dort beginnt, wo man sich auf das Wesentliche beschränkt. Ein Riesling für Kenner, für Geduldige, für Neugierige. Für all jene, die spüren wollen, wie sich Salz, Stein, Frucht und Zeit in einem Glas vereinen. Und für alle, die wissen: Große Weine sprechen nicht laut. Sie flüstern.

Zu genießen ab sofort, Höhepunkt bis nach 2040.