Scarpa
„Rouchet“ Monferrato Rosso DOC, rosso 2021

Es war Robert M. Parker Jr. höchstselbst, der vor mehr als drei Jahrzehnten in seinem „Wine Advocate“ einen 1990er-Rouchet-Tafelwein von Scarpa besprach. Das Weingut produziere üblicherweise, so Parker damals, schwerfällige, hart strukturierte Rotweine – umso größer sei daher seine Freude gewesen, in diesem Rouchet eine Ausnahme zu entdecken. Denn der köstliche, üppig fruchtige, mittel- bis vollmundige Wein strotze geradezu vor süßen roten und schwarzen Früchten, verfüge über eine geschmeidige Textur, viel Körper und einen moderaten Alkoholgehalt. Zu jener Zeit war die seltene autochthone Rebsorte Rouchet – meist als Ruchè bezeichnet – außerhalb des Piemont nahezu unbekannt. Heute hingegen ziert den Namen auf dem Etikett ein markantes R im Kreis, fast wie ein augenzwinkernder Gruß an den Großkritiker Parker, das auf den geschützten Markenstatus verweist. Längst handelt es sich nicht mehr um einen schlichten „Vino da Tavola“, sondern um einen Monferrato Rosso DOC, also einen Wein mit kontrollierter Herkunftsbezeichnung. Im Glas zeigt sich der „Rouchet“ in einem lebhaften Rubinrot mit violetten Reflexen – ein Farbenspiel, das bereits seine jugendliche Energie ankündigt. In der Nase entfaltet sich ein betörendes Bouquet, das unverkennbar für diese seltene Rebsorte ist: ein Strauß aus Rosenblättern, Veilchen und Jasmin, verwoben mit saftigen Aromen von Himbeeren, Erdbeeren und Süßkirschen, ergänzt durch Hagebutte und einen Hauch Aprikosenkonfitüre. Dieser florale und fruchtige Ausdruck wirkt fast parfümiert, ohne jemals aufdringlich zu erscheinen, und macht den Wein schon beim ersten Kontakt zu einem Erlebnis. Mit etwas Luft offenbart er feinere Facetten: eine würzige Tiefe von mediterranen Kräutern, subtile nussige und kaffeewürzige Noten, dazu Anklänge von Lakritz, Leder und Waldboden. Ein zarter Hauch von Rauch und salziger Mineralik verleiht zusätzliche Komplexität – eine fast ätherische Dimension, die die florale Leichtigkeit erdet. Am Gaumen zeigt sich der Rouchet vollmundig, getragen von der für die Rebsorte typischen, geschmeidigen Tanninstruktur. Die feinkörnigen Tannine umschmeicheln die reife, saftige Frucht, während sanfter Schmelz und marmeladige Nuancen für eine verführerische Rundung sorgen. Stets bleibt die Würze präsent, subtil und vielschichtig, und balanciert die duftige Zartheit der Blütennoten mit der kräftigen Struktur, die Tiefe und Langlebigkeit verheißt. Das Terroir der auf 350 bis 400 Metern gelegenen Weinberge von Poderi Bricchi, geprägt von lehmigen Böden mit leichtem Sandanteil, schenkt dem Wein nicht nur Ausdruckskraft, sondern auch eine feine, kreidig-salzige Note, die im langen Nachhall hervortritt. Der Ausbau im Stahltank bewahrt die Frische der Frucht und unterstreicht die Reinheit der Aromatik. Im Abgang zeigt der Rouchet noch einmal sein ganzes Wesen: blumig, fruchtig, würzig, leicht mineralisch und getragen von wohliger Wärme, die ihn zu einem unvergesslichen Begleiter macht. Ein charakterstarker Wein, der sich deutlich von den gängigen italienischen Rotweintypen abhebt – und gerade darin seine besondere Faszination entfaltet. So wird aus Parkers einstiger Überraschung heute eine Gewissheit: Der „Rouchet“ von Scarpa hat sich mit großer Eigenständigkeit etabliert – ein Wein, der berührt, begeistert und Parkers erster Freude alle Ehre macht.