Bruno Giacosa
Roero Arneis DOCG, bianco 2024

95/100 – James Suckling

Es gibt Rebsorten, die verschwinden leise, wenn niemand mehr an sie glaubt. Und es gibt Winzer, die das Schicksal einer solchen Rebe zu wenden vermögen. Der Arneis aus dem Roero war Ende des 20. Jahrhunderts beinahe ausgestorben – zu unbedeutend, zu sperrig, zu wenig gefragt. Doch Bruno Giacosa sah mehr in ihm: eine jahrhundertealte Tradition, die in Vergessenheit zu geraten drohte, und das Potenzial für einen eigenständigen, großen Weißwein jenseits des Mainstreams. Mit seiner Wiederentdeckung und behutsamen Pflege hauchte er der Rebsorte neues Leben ein. Heute zählt der Roero Arneis zu den charaktervollsten Weinen des Piemonts, und Giacosas Interpretation ist eine Referenz. Der aktuelle Jahrgang zeigt bereits im Glas, was ihn so besonders macht: ein leuchtendes Zitronengelb mit grünen und silbrigen Reflexen, das Frische und Präzision verheißt. Der erste Eindruck in der Nase ist von Klarheit und feiner Spannung geprägt. Zitruszesten von Orange und Zitrone, begleitet von der dezenten Bitterkeit einer Grapefruitschale. Weiße Blüten – Jasmin, Holunder, ein Hauch Orangenblüte – fügen eine elegante florale Note hinzu, während Obstgarten-Aromen von Golden-Delicious-Äpfeln und grünen Birnen einen Kontrapunkt setzen. Mit zunehmender Luft entfalten sich exotische Nuancen: reife Litschi, Ananas, Papaya und saftige Honigmelone, subtil begleitet von mineralischen Untertönen, die an Feuerstein und nassen Sand erinnern – ein Echo auf die sandigen Böden des Roero. Am Gaumen offenbart sich die wahre Kraft dieses Arneis. Er tritt mit saftiger Fruchtfülle auf, die sofort von einer salzigen Mineralität eingefangen und konturiert wird. Grapefruit, Aprikose und weißer Weinbergpfirsich sind klar erkennbar und verschmelzen mit tropischen Noten von Mango und Ananas. Ein subtiler cremiger Schmelz sorgt für Fülle, ohne dass der Wein seine innere Frische verliert. Die zarten Bitterstoffe – fein wie ein Hauch von Mandelschale – geben ihm eine zusätzliche Dimension. Die Textur ist bemerkenswert: mittlerer bis voller Körper, getragen von einer feinen Kalkigkeit, die sich wie kreidige Adern durch den Wein zieht. Die Balance zwischen reifer Saftigkeit und mineralischer Straffheit ist das Geheimnis seines Charmes. Am Ende bleibt ein langer, animierender Nachhall, geprägt von weißem Pfirsich, Aprikose, Grapefruit und einer zarten Würze, die an frisches Fenchelgrün erinnert. Kurz gesagt: Der Roero Arneis von Bruno Giacosa zeigt eindrucksvoll, warum diese Rebsorte ihre Renaissance verdient hat. Jung begeistert er mit exotischer Frucht und vibrierender Frische, mit Reife gewinnt er an Tiefe, Salzigkeit und Komplexität. Ein Wein, der gleichermaßen Lust auf das nächste Glas macht und dabei doch ernsthaft und vielschichtig bleibt – ein Stück piemontesisches Kulturerbe, bewahrt und neu interpretiert von einem der größten Namen der Weinwelt.