Garnier & Fils
Chablis 1er Cru „Beauroy“, blanc 2023

Personen, die sich nicht so intensiv mit dem Thema befassen, wundern sich immer wieder darüber, wie groß die Unterschiede einzelner Weine eines Winzers seien können, selbst wenn sie aus der gleichen Rebsorte gekeltert wurden und auf der gleichen Qualitätsstufe stehen – und die Reben nur jeweils ein paar Kilometer voneinander entfernt wachsen. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass die so verschieden schmecken“, ist ein oft gehörter Einwand. Tja, tun sie aber, natürlich nicht so verschieden, dass man die gemeinsame Rebsorte und die allgemeine Anbauregion nicht zu erkennen vermag. Aber doch so verschieden, dass es sich lohnt, diesen durch Boden, Exposition, Alter der Reben und der Art des Ausbaus entstandenen Geschmacksdifferenzierungen auf den Grund zu gehen. Das ist auf jeden Fall immer ein großes Vergnügen. Wer das einmal versuchen möchte, ist im so wunderbar vielfältigen Burgund generell bestens aufgehoben – das gilt auch für das Chablis-Gebiet. Ganz besonders zu empfehlen sind zu diesem Zweck die Weine der Terroir-Freaks Xavier und Jérôme Garnier, die Brüder sind eine der großen Chablis-Entdeckungen der vergangenen Jahre. Anders als noch ihr Vater, der die Trauben an eine große Kellerei geliefert hat, haben sie sich entschieden, Weine selbst auszubauen. Zum Glück! Sie arbeiten dabei im Weinberg pedantisch, gelesen wird von Hand, alle Weine werden spontan mit eigenen Hefen vergoren, der Ausbau erfolgt geduldig auf der Feinhefe, gerne verwenden sie dazu 500-Liter-Holzfässer, so auch in diesem Fall. All das führt dazu, das außergewöhnliche Terroir in diesem nördlichen Teil des Burgunds perfekt zum Ausdruck zu bringen. In der Premier-Cru-Lage „Beauroy“ – sie ist die nördlichste dieser Kategorie – bewirtschaften sie etwa 0,75 Hektar mit rund 40 Jahre alten Reben, die tief im Kimmeridge-Gestein wurzeln. Unter Kimmeridge versteht man jene berühmte Bodenformation, die vor mehr als 150 Millionen Jahren entstanden ist und sich durch eine besondere Mischung aus grauem Kalkstein und Tonerde auszeichnet. Sie sorgt zusammen mit dem eher kühlen Klima für die pikante Mineralität in Chablis-Weinen. Der „Beauroy“ duftet nach grünem Apfel, Limettenzeste, Grapefruit, Charentais-Melone und Pfirsich, Vanille und zarter Rauch sind ebenfalls mit dabei. Am Gaumen zeigt sich ein herrlich tiefsinniger Trinkfluss, wieder sind das helle Früchte, Mandarine kommt dazu, die Säure ist frisch, fast knackig, die Mineralität wunderbar kompakt, das ist ein Spaß für Terroir-Fans, das Kalkgestein ist hier maximal fühlbar. Der „Beauroy“ ist ein „cool-climate“-Wein von hohen Graden, ein Chablis voller Eleganz und Tiefe, der griffig und geschmeidig ist – ein Premier Cru, der am Grand-Cru kratzt.