Thillardon
„Chassignol“ Chénas, rouge 2023

Unterhält man sich über die Crus des Beaujolais, fallen schnell Namen wie Moulin-à-Vent, Morgon oder Fleurie. Chénas war immer etwas außen vor, war bestenfalls als Referenz aus der zweiten Reihe bekannt. Spätestens mit Paul-Henri und Charles Thillardon hat sich das nachhaltig geändert. Mit unermüdlichem Fleiß haben sie seit 2007 einige der besten Weine der Region hervorgebracht. Das Filet-Stück ihres Portfolios in die Lage Chassignol, die direkt hinter der Domaine beginnt und sich sehr steil den Berg hinaufzieht. Paul-Henri und Charles Thillardon sind mittlerweile Alleinbesitzer des Weinbergs, er ist also eine Monopollage geworden, nachdem sie vor ein paar Jahren die letzte Parzelle von einem Nachbarn erwerben konnten. Einige der Trauben dieser Parzelle, die mittlerweile wie alle anderen Lagen biologisch zertifiziert ist, fließen in den „Les Vibrations“ ein, während für den „Chassignol“ nur die besten Trauben der mehr als 90 Jahre alten Rebstöcke dieses von rosa Granit und Quarz geprägten Weinbergs genutzt werden. Und der wird ausschließlich mit Pferden bearbeitet. Der Ertrag der uralten Reben liegt bei rund 15 bis 20 Hektoliter pro Hektar. Wie bei den anderen Weinen auch wurde hier eine macération semi-carbonique angewandt, um den Wein zu vergären. Das heißt, dass ein Teil in klassischer Maischegärung erzeugt wird und ein anderer unter Luftabschluss intrazellulär gärt, was die Tannine des Gamay ausgesprochen geschmeidig werden lässt. Der „Chassignol“ wurde diesmal zu 30 % in gebrauchten Barriques, der Rest in verschiedenformatigen Fuderfässern ausgebaut.

Der nicht allzu helle, leicht trübe, in toto aber transparente „Chassignol“ ist ein Beaujolais, der selbst Beaujolais-Verächter in Begeisterung versetzen dürfte. Der sonst zunächst etwas „strengere“, im besten Sinne „erdige“ Gamay der Thillardons scheint heuer regelrecht zu leuchten, ein heller Kern sorgt für Glanzlichter, Spannung, animierende Säure und Energie. Neben viel roter (Beeren-)Frucht (Johannisbeeren, Himbeeren, Sauerkirschen, aber auch Pflaumen) und Agrumen (Mandarine, Blutorange samt Zeste) finden sich auch (Pfingst-)Rosenblüten und balsamische Noten (vor allem Minze) im Bouquet. Nach und nach dann auch etwas Hefe, Salzlakritz und wieder Zesten, diesmal kandiert. Das wirkt von Beginn an hoch komplex und wird noch spannender, wenn man den Wein vorher karaffiert. Am Gaumen zeigt sich dieser eindeutig „waschechte“ Cru – das ist definitiv kein Feld-Wald-und-Wiesen-Beaujolais! – komplex und tief, einerseits seidig und fein in der Textur, dann aber auch mit viel Druck und Frische und einer geradezu energetisierenden aromatischen Säure, die an Johannisbeeren, Sauerkirschen, Rhabarber und Blutorangen erinnert. Auch hier findet ist wieder diese mineralisch-salzig-steinige Komponente auszumachen, die diesen Chénas so mehrdimensional erscheinen lässt. Crunchy Frucht und Würze, Kraft und Eleganz, Frische und Struktur sind in Hülle und Fülle vorhanden. Was sich hier offenbart, verdeutlicht wieder einmal, dass sich die besten Beaujolais (der „Chassignol“ gehört dazu!) vor burgundischen Crus nicht verstecken müssen, au contraire! Was man hier für einen Bruchteil der Preise für Wein im Burgund ins Glas bekommt, hat schlicht und ergreifend Größe. Und in Sachen Reifevermögen stehen diese Weine denen aus dem benachbarten Burgund in nichts nach: Der „Chassignol“ wird in den nächsten zehn und mehr Jahren nur noch schöner werden! Die Säure ist brillant und klar, die Mineralität dieses Weines lebendig und vibrierend, das Tannin ist gewohnt elegant und strukturgebend. William Kelley (The Robert Parker Wine Advocate) hat den Wein zuletzt mit 94+ und 95 Punkten bewertet – was auch für den 2023er sehr, aber auch sehr angemessen wäre …!