Kühling-Gillot
Chardonnay „Réserve“ 2024

Tiefgründiges Aromenkino aus Rheinhessen

Authentizität, Charakter, Eigensinn – das sind Attribute, die auf den Bio-Winzer Hans Oliver Spanier zutreffen und genau die will er auch in seinen Weinen zum Ausdruck bringen. Und da gehören Ecken und Kanten nun einmal dringend dazu. Es gilt, die Seele eines Weines und den Genius loci herauszuarbeiten und nicht darum, einfache und massenkompatible easy drinker zu produzieren. Um das zu erreichen, werden die Rebstöcke im Weinberg biodynamisch gepflegt, die Trauben schonend geerntet, und sie bekommen später im Keller genau die Zeit, die sie für ihre „Charakterbildung“ brauchen – auch wenn das in manchen Fällen Jahre dauert. Auf den Chardonnay „Réserve“ muss man, trotz des Namens, nicht so lange warten. Für ihn stammen die Trauben von einer sorgfältigen Auswahl an Rebstöcken aus der Laubenheimer Gemarkung. Die fruchtbaren Böden dort sind geprägt von Kalkmergel und Ton und lassen in den Beeren die charakteristische Würze und sein spezielles filigranes Säurespiel entstehen. Vergoren wird nach der Handlese spontan und der Ausbau erfolgt in gebrauchten tonneaux (Fassungsvermögen: 500 Liter), in dem der Chardonnay bis in den Mai auf der Feinhefe seiner Vollendung entgegenreifen darf. Hellgelb (strohgoldene Reflexe inklusive schimmert der Wein im Glas, dessen Bouquet sofort dessen Individualität offenbart. Kein bombastisches Eichenholz-Kino im Hollywood-Stil, sondern eindeutig Alte Welt: die (subtile) Arthouse-Facette des Aromenfilms. Leicht reduktiv die Nase (hauchfeiner Rauch und eine gewisse, schon im Duft wahrnehmbare Herbe), dazu Fruchtnoten von Quitte, Pflaume und Golden Delicious, die in eine komplexe, leicht kräutrige Würze eingebettet sind, alles sehr frisch, das Holz spielt bestenfalls eine Statistenrolle. Mit etwas mehr Luft zeigt dann exotischere Schauplätze, nun auch Maracuja und Mangostan, außerdem noch Mais und gesalzenes Popcorn. Am Gaumen verführt die „Réserve“ mit ihrer überaus eleganten Struktur und cremigem Schmelz, der den Fruchtaromen wiederum eine perfekte Bühne bietet, die ihren ersten Auftritt schon in der Nase hatten, im Abspann dann Akazienhonig und ein angenehmes Hopfenaroma. Ein wunderbar eigenständiger, sehr wandelbarer Terroir-Chardonnay, bei dem alle Ecken und Kanten – dank Finesse, Spannung und Ausdruckskraft – zu einem sehr befriedigenden, weil logischen Happy End zusammenfinden.

Ab sofort bis 2030+.