Vollenweider
Wolfer Goldgrube Riesling Kabinett (Wurzelecht) 2024

95/100 – Mosel Fine Wines

Manchmal geht „der Piggot“ mit uns durch, Zeilen wie diese – „Ein nahezu perfekter Kabinett-Riesling, der sich durch enorme Anmut und Finesse am Gaumen auszeichnet, leicht und ultra-präzise. Er ist wie ein Tänzer, dessen Füße kaum den Boden berühren und der sich mühelos bewegt. Unglaubliche Brillanz im fast endlosen Abgang.“ Stuarts Notizen zum 2023-Jahrgang – könnten von uns stammen. Aber auch etwas weniger exaltierte? enthusiasmierte? Zeitgenossen wie Jean Fisch und David Rayer sprechen bzw. schreiben uns immer wieder von der Seele. Kostprobe gefällig? „Der Wein präsentiert sich luftig und hervorragend ausgewogen und besticht durch vielschichtige Aromen von Feuerstein, Weinbergpfirsich und minzigen Kräutern. Er wirkt relativ leicht, doch seine Komplexität ist einfach superb. Der Abgang ist sehr pur und luftig, doch die Länge ist atemberaubend. What a splendid Kabinett!“ Auch das Teil des sensorischen Steckbriefs für 2023, der sich (mit wenigen winzigen Modifikationen) auch für den 2024er übernehmen ließe.

In der kühlen Westexposition der Wolfer Goldgrube liegt ein unscheinbares Filetstück namens „Jon“, aus dem Jahr für Jahr einer der eigenständigsten Kabinette der Mosel entsteht. Dort stehen sie: uralte, wurzelechte Rieslingstöcke, deren tiefes Wurzelwerk nicht nur Nährstoffe, sondern vor allem Charakter aus dem Gestein holt. Das Bouquet ist von kristalliner Klarheit. Zitronensorbet, süße Limette, ein Hauch von grüner Aprikose und weiße Blüten geben den Auftakt, getragen von einer kühlen, steinigen Reduktion, die an nassen Schiefer, feinen Rauch und frische Luft nach Sommerregen erinnert. Mit etwas Luft dringt auch zartere Frucht durch: Pfirsich, Birne, ein Anklang von Apfelblüte. Kein Duft drängt sich in den Vordergrund, alles ist fein balanciert, ruhig und doch vibrierend.

Am Gaumen zeigt sich der Kabinett mit beeindruckender Leichtigkeit und Spannung. Er wirkt nicht süß, sondern ungemein straff und salzig, von einer pikanten Säurestruktur durchzogen, die ihm Richtung und Fokus gibt. Die Saftigkeit ist enorm – ein innerer Fluss aus Kräutern, Frucht und Stein. Noten von Tonicwater, schwarzer Johannisbeere, Aprikosenkern und ein Hauch Kalk lassen einen lebendigen, fast tänzerischen Eindruck entstehen. Die Textur ist feingliedrig, die Energie hoch, und doch ist der Wein die Ruhe selbst. Was diesen Kabinett auszeichnet, ist seine Fähigkeit, Gegensätze zu vereinen: aromatische Fülle ohne Gewicht, Präzision ohne Strenge, Frische ohne Beliebigkeit. Der Abgang ist lang, salzig und pointiert, fast schwebend, und bleibt als florale Mineralität lange im Gedächtnis. Ein Kabinett, der nichts erklären muss. Er zeigt, was möglich ist, wenn alte Reben, ein sensibler Ausbau und ein großes Terroir auf einen Winzer treffen, der zuhören kann. Ein leiser, aber bleibender Eindruck – jetzt schon verführerisch, in Jahren wohl noch präziser.