Le Puy
„Emilien“ Vin de France, rouge 2022

Château Le Puy: ein Leuchtturm im weiten Meer des Libournais am rechten Ufer der Gironde. Das Weingut produziert keinen Bordeaux, sondern vertreibt seine Weine schlicht als Vin de France – Wein aus Frankreich. Damit verzichtet man auf den Hinweis auf eine Region mit einem Namen wie Donnerhall, die seit jeher mit Prestige und exzellenter Qualität gleichgesetzt wurde. Geleitet von Pascal und Jean-Pierre Amoreau liegt Le Puy in der kleinen Appellation Côte de Francs auf dem Kalksteinplateau von Saint-Émilion und überblickt die Region von einem der höchsten Punkte Richtung Saint-Émilion und Dordogne. Le Puy gilt als eines der Urgesteine des biodynamischen Weinbaus in Bordeaux. Pascal und Jean-Pierre vertrauen seit jeher auf das Terroir und arbeiten auf der Grundlage der Biodynamie, lassen sich aber von der Naturwein-Szene auch nicht vereinnahmen. Dies machte das Weingut schnell zu einem der Stars der jungen Sommelier-Szene, die mit dem klassischen, alten Bordeaux so gut wie nichts am Hut hat. Kompromissloses, minimal-invasives Arbeiten mit maximalem Herkunftsmarker ist das Erfolgsrezept der Amoreau-Brüder: Seit 1610 betreibt die Familie Weinbau, seit 1998 arbeiten sie ohne Schwefel, die Flächen sind Demeter-zertifiziert und gefüllt wird seit jeher ungeschönt und ungefiltert – Dinge, die heute oft als Standards betrachtet werden und dennoch bei vielen Betrieben der Region noch immer wie Methoden aus einer anderen Zeit erscheinen.

Der „Emilien“ ist der Einstiegswein von Le Puy und ist geprägt vom regionaltypisch hohen Anteil an Merlot mit über 80 %, dem je nach Jahrgang Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc sowie Malbec und Carménère in unterschiedlichen Mengen zugefügt werden. Mit dunklem Rubinrot, schwarzem Kern und violetten Reflexen im Glas ist er geprägt vom reichhaltigen Parfum des Merlot und seiner reifen, dunklen Frucht nach Blaubeeren, Maulbeeren und vollreifen Zwetschgen. Die dunkle, doch stets frische Frucht wird ergänzt durch würzige Komponenten, die an Pflaumenmus mit seiner distinktiv würzigen Aromatik nach Nelken, Piment, Zimt und schwarzem Pfeffer erinnern. Hinzu kommen leicht erdige Noten sowie Eindrücke von beef jerky.

Im Antrunk ist er fleischig fest mit hoher Viskosität und feinkörnigem Gerbstoff am Zungensaum – man meint, man könne ihn kauen dank seiner reichhaltigen Textur. Die dunkle, fast violette Frucht wird von reifem, poliertem, dabei engmaschigem und pudrigem Gerbstoff flankiert, was dem gehaltvollen Wein seine klare Kontur verleiht. Mit voller Frucht voraus und sattem Extrakt ist er klares Kind seiner Herkunft und dennoch verleiht ihm seine präzise gezeichnete Silhouette und sein kalkgeprägtes, kühles Naturell seinen einzigartigen Charakter; kraftvolles Understatement, das in ein langes, man kann’s nicht oft genug erwähnen, kühles Finale mündet. Der „Emilien“ ist zu Tisch kein Wein der leisen Töne, es darf also etwas gehaltvoller sein als an einem frugalen Montagabend. Falsche Angst vor Gänseschmalz oder Entenfett ist hier ebenso fehl am Platz wie feingliedrige Garnituren mit besonderen Kresse-Sorten: Es darf handfest sein, denn der Wein hat Gerbstoff und Extrakt. Ob kurzgebraten oder geschmort, ob rotes Fleisch, Pilze oder Rübchen – das Essen braucht Bumms und gern einen Schluck desselben Weins in der Sauce.