Kühling-Gillot, Nackenheim Riesling 1. Lage trocken 2022

Man soll ja nicht immer vergleichen – allein schon, weil das häufig mit bewerten verbunden ist und das wiederum nicht weit entfernt von abwerten liegt. Und weil Dinge einfach auch mal für sich stehen können. Aber gerade bei zwei Rieslingen vom gleichen Weingut in der gleichen Qualitätsstufe, die aus benachbarten Lagen kommen, geht es natürlich gar nicht anders als zu schauen, was macht eigentlich der andere? Aber natürlich spielen wir nicht Nackenheim gegen Nierstein – von dort stammt das Pendant – sondern wir betrachten zwei außergewöhnliche Ortsweine, die beide vortrefflich ihre Herkunft widerspiegeln und jeweils auf ihre Weise kleine Meisterwerke sind. Wobei das einschränkende Adjektiv „kleine" nur im Text steht, weil es über diesen beiden Weinen halt die Großen Gewächse gibt. Und ja, das ist dann noch einmal eine andere Welt. Aber nun zu Nackenheimer Riesling, der dort wächst, wo sich die mächtige Tonschieferbank des „Roten Hangs“ an die Oberfläche drückt – ein paar Kilometer weiter südlich bei Nierstein verschwindet sie wieder unter der Erde. Inzwischen besitzt das Weingut Kühling-Gillot in vielen guten Lagen des „Roten Hangs“ Rebstücke. Der karge Urgesteinsboden dieser Formation speichert die Wärme des Tages, während die Nachtwinde aus den Seitentälern einen kühlenden Kontrapunkt setzen. Zusammen mit dem Einfluss des am Fuße des Hangs fließenden Rheins und den unterirdischen Wasseradern entsteht ein außergewöhnliches Terroir. Durch die geringere Südausrichtung im Vergleich zu den Niersteiner ergeben die Nackenheimer Lagen stets einen mineralischeren, etwas kühleren Wein, manche meinen, die Weine hätten vor allem in ihrer Jugend sogar eine gewisse Strenge. Andere sagen: Das ist überragende Seriosität. Die Trauben für den Nackenheimer werden – wie bei Kühling-Gillot üblich – von Hand gelesen und streng selektiert, der Ausbau erfolgt in großen alten Stückfässern, die 1200 Liter fassen, es folgt ein Lager auf der Feinhefe. Der Wein duftet nach frischen Limettenschalen, etwas Orangenzeste, Kräuterwürze, aber vor allem ist da eine ausgeprägte Mineralität, die ungemein animierend wirkt. Am Gaumen ist der Nackenheimer komplett gestrafft mit vibrierender, reifer Säure, knackiger Zitrusfrucht und komplexer Mineralität. Alles auf Zug und Zukunft ausgerichtet, wenn man es nicht wüsste, könnte man den Wein locker in die Riege der Großen Gewächse einsortieren, so dicht und kraftvoll ist er, bei gerade mal 12 Vol.-% Alkohol. Das ist großartiger, mineralischer Stoff – und ein exzellenter Weinwert. Das Weingut Kühling-Gillot hat sich ja auf die Fahnen geschrieben, „Steinweine" zu keltern – Mission erfüllt!

Ab sofort und bis 2033+.

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