Kühling-Gillot, Chardonnay „Réserve“ 2022

Viele Rebsorten haben janusköpfige Tendenzen und können je nach Lage und Ausbau sowohl großartige als auch ziemlich banale Weine hervorbringen. Beim Chardonnay – eigentlich eine absolute Sternstunden-Rebsorte aus dem Burgund – hat diese Wechselhaftigkeit bei Ausbau und Qualität (wohlgemerkt: außerhalb des Burgunds) sogar dazu geführt, dass sich vorübergehend eine „ABC“-Bewegung gebildet hat. Die Abkürzung stand dabei für „Anything but Chardonnay“ – auf deutsch: Hauptsache kein Chardonnay. Das war etwa zu der Zeit, als die edle Rebsorte mit Holz-und Vanillearomen verkitscht wurde. So etwas kommt beim rheinhessischen Spitzenweingut Kühling-Gillot natürlich nicht ansatzweise in Betracht. Vielmehr ist genau das Gegenteil der Fall. Schließlich stehen Carolin Spanier-Gillot und ihr Ehemann H. O. Spanier für wunderbar klare Weine – das gilt für ihre großartigen Rieslinge, für die sie weit über die Landesgrenzen berühmt sind, aber auch für die Burgundersorten, die in Rheinhessen ebenfalls beste Bedingungen vorfinden. Ihr Chardonnay „Réserve“ ist eine Selektion aus Rebstöcken mit einem Alter von etwa 20 Jahren aus der vom Kalk und Löss geprägten Laubenheimer Gemarkung. Auf diesen fruchtbaren, biodynamisch bewirtschafteten Böden erreichen die Trauben eine ideale Reife, die ihnen neben feiner Würze und einem filigranen Säurespiel auch schönen Schmelz verleiht. Nach der Handlese werden die Moste in drei bis fünf Jahre alten tonneaux – das sind ein 500 Liter fassende Holzfässer – vergoren. Der Wein reift dann bis in den Mai auf der Feinhefe, bevor er gefüllt wird. Der 2022er-Chardonnay „Réserve“ duftet nach Mandel, Rauch, Apfel und reifer Birne, dahinter liegt eine salzig-mineralische Note, der Holzeinsatz ist dezent spürbar. Am Gaumen zeigt sich eine feine Säure sowie eine geschmeidig-straffe Textur, der Wein ist griffig und frisch und entwickelt gleichzeitig einen zarten Schmelz, bezaubernd. Erneut ist etwas Apfel dabei, aber auch heller Tabak und Kräuterwürze, der Abgang ist lang in würzig-frisch. Das ist ein perfekt balancierter Chardonnay, der bei Tisch wunderbar zur Geltung kommt – ein ultimativer Tipp für alle, denen das Burgund zu teuer geworden ist.

Ab sofort (und mit entsprechend Luft) schon jetzt ein Genuss, Potenzial bis 2031+.

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