Rheinhessen

Rheinhessen

Gewaltig wie nirgendwo sonst in Deutschland hat in den letzten 20 Jahren in Rheinhessen eine dynamische Entwicklung eingesetzt, die den Ruf dieser traditionsreichen Region unter Weinliebhabern geradezu auf den Kopf gestellt hat. Begnadete Winzerpersönlichkeiten, allen voran Klaus Keller, begannen vor über einem Jahrzehnt, infolge engagierter Weinbergsarbeit und meisterhafter Kellertechnik, Weine zu vinifizieren, die keinen Vergleich zu scheuen brauchen, weder in Deutschland noch sonst wo in der Welt!

Kenner wissen, dass das größte Anbaugebiet Deutschlands – nach wie vor entstammt von hier etwa jede vierte Flasche deutschen Weines (insgesamt ca. 200 Millionen jährlich) – nur schwerlich als weinbauliche Einheit verstanden werden kann: Die Unterschiede in Mikroklima, Bodenstruktur und Ausrichtung der Lagen, aber auch in der „Qualitätsphilosophie” der Winzer sind erheblich. Die „Rheinfront” um die berühmten Orte Nierstein

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Bereits in den 90er Jahren hat in erster Linie Klaus Keller in Flörsheim-Dalsheim mit seinem kompromisslosen Streben nach absoluter Qualität und seinen phantastischen Weinen aus dem Dalsheimer Hubacker und mittlerweile auch aus den großen Westhofener Lagen diese Thesen ad absurdum geführt und ins Reich der Fabel verbannt. Natürlich profitierte Keller bei seinem fulminanten Aufstieg in die kleine Riege deutscher Weltklassewinzer, die in der einzigartigen Ehrung als „Deutschlands Winzer des Jahrzehnts” gipfelte (so die nie zuvor vergebene Auszeichnung des Gault Millau), neben seinem unbedingten Einsatzwillen, seinem enormen vinologischen Wissen und seinem großen Geschick und Einfühlungsvermögen auch von der Klimaerwärmung, die die früher (zu) kühlen rheinhessischen Hügellagen mit ihrem fabelhaften kalkhaltigen Terroir enorm begünstigt! Kellers vorbildlich bearbeitetes, humushaltiges Terroir kann das Wasser zudem hervorragend speichern und verhindert somit jeglichen Trockenstress bei den Reben. Kein Wunder also, dass schon bei ähnlichen klimatischen Begebenheiten in einer Warmphase im Mittelalter die Rieslinge aus dem rheinhessischen Hügelland mit ihren Spitzenlagen auf den erstklassigen Kalkböden (die man wegen ihrer kalkreichen und felsigen Struktur mit den größten Terroirs des Burgund vergleichen kann) legendären Ruf besaßen. Bereits zu dieser Zeit waren die besten Lagen Dalsheims und Westhofens im klösterlichen Besitz, die bekanntermaßen nur in den Filetstücken der besten Weinbauregionen der Welt begütert waren. Klaus-Peter Kellers „An Abtes Erden” erinnert heute noch daran!

Diese Tatsache war über lange Zeit selbst in Rheinhessen in Vergessenheit geraten, denn über Jahrzehnte hinweg, bis Klaus Keller und in seiner kongenialen Nachfolge jetzt sein Sohn Klaus-Peter (seit mehreren Jahren bereits ist dieser junge, sensible Winzermagier DAS Aushängeschild für trockenen deutschen Wein auf absolutem Weltklasseniveau) sie wieder bekannt gemacht haben, führten diese großen Terroirs, die heute unter Weinliebhabern einen magischen Klang besitzen und weltweit so stark nachgefragt und gesucht werden wie die berühmtesten und teuersten Pretiosen aus dem Burgund, ein Mauerblümchendasein. Heute belegen nicht mehr nur alte Schriften, dass im Mittelalter im Wonnegau bereits (mit) die größten trockenen deutschen Rieslinge erzeugt wurden, heute gewinnen die Kellerschen Spitzen-Rieslinge quasi jede Auszeichnung, die es zu gewinnen gibt.

Neben der ebenso erfolgreichen wie sympathischen Familie Keller, die in einer eigenen Qualitätsliga zu spielen scheint, produzieren weitere Betriebe, wie die von mir ebenfalls sehr geschätzten Weingüter Wittmann und Battenfeld-Spanier und junge Nachwuchswinzer wie Florian Fauth (Weingut Seehof), die sich in der Gruppe „Message in a bottle” locker zusammen gefunden haben, im landschaftlich reizvollen Wonnegau ebenfalls hervorragende Weine. „Klasse statt Masse”, lautet ihre Maxime, schmackhafte Basisqualitäten bilden das Fundament; doch die trockenen Lagenweine mit individuellem Terroirbezug gehören zur absoluten Spitze in Deutschland. Zudem ist in keinem anderen deutschen Anbaugebiet derzeit der Gemeinschaftsgeist so groß wie unter diesen Newcomern. Niemand scheint dem anderen den Erfolg zu neiden, im Gegenteil, es findet ein regelrechter Ideentransfer statt: Man tauscht sich aus, diskutiert kontrovers und gibt sich gegenseitig Ratschläge.
Mein Fazit: Infolge der mittlerweile phantastischen Qualitäten aus den Händen dieser innovativen Winzer scheint, der Produktion aller Millionen Flaschen mediokrer Qualität zum Trotz, der Ungeist der „Liebfrauenmilch” in die Flasche zurückverbannt. Stattdessen ist der Slogan des 2004 veranstalteten Festivals „Rheinhessen – skandalös gut” zur objektiv nachprüfbaren Leitidee einer Region avanciert, deren Spitze zu einem derart fulminanten Höhenflug angetreten ist, dass sie den Vergleich mit keiner anderen Weinanbauregion weltweit zu scheuen braucht.


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