Burgund in Franken? Fränkischer Burgunder? Eigene Welten sicherlich!
98/100 – James Suckling
Mit diesem „R“ kennzeichnen die Fürsts schlicht die hochwertigsten Weine einer Rebsorte aus der jeweiligen Lage – hier ist es der Astheimer Karthäuser, der mit seinem Muschelkalk und seinem idealen Klima eine „burgundische“ Heimat für die etwa 20 Jahre alten Reben (französische Klone) des Fürts’schen Chardonnay bietet (Paul Fürst hatte mit seinem bewundernswerten Instinkt gerade hier seine erste Parzelle dieser Rebe gepflanzt). Wenn dann noch burgundische Ausbaumethoden, zur Perfektion gebracht, diesen Trauben widerfährt ist vollends die Weltspitze erreicht. Nach der der gestaffelten Lese (jede Traube zu ihrer besten Reifezeit gelesen – was nicht heißen soll, dass hier unbedingt Vollreife angestrebt wird) werden die ganzen Trauben mit den Füßen gequetscht (Sachte! Die Kerne und Stiele sollen ja keine übertriebene Bitternis abgeben können) und nach langer Reifezeit in neuem und gebrauchtem Holz auf der Feinhefe geht es, sozusagen zum Finish, noch einmal für ein halbes Jahr in den Edelstahltank (hier soll ein straffes und strukturiertes Gaumenbild entstehen).
Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass wir jetzt in unserem Glas einen rechten Jungspund vor uns haben. Die Flasche sollte jetzt unbedingt dekantiert werden. Den Dekanter packt man dann am besten für ein paar Stunden in den Kühlschrank. Erst mit dieser Dosis Luft wird ein annähernd vollständiges Bild sichtbar (obgleich dieses Bild in etwa zehn Jahren ein weitaus üppigeres sein dürfte). Was wir schon jetzt erfahren können: hinter einer Maske von Mineralischem (Stein, Honig, Flint, warme Erde, Kaffee) tritt schon recht gutgelaunte Frucht (Apfel, Zitrone, Orangensaft, Birne, Quitte, Aprikose; nebenbei: Hefe, Haselnuss, Kamille, Papaya, Karamell, Vanille, Holunder, Joghurt, Butter) hervor. Die Aromen sind schon jetzt legendär konturiert und mit einer Sicherheit, die nur wenige Winzer an den Tag legen (Julian Huber, Friedrich Becker, Holger Koch, Johannes Jülg) in eine Dramaturgie eingebaut, die uns fassungslos macht. Der Ausdruck „Perfektion“ ist einfach zu kühl, um das wiederzugeben, was in unseren Nüstern da am Wirken ist – und am Gaumen! Hier haben sich Säure und Süße miteinander verbündet (Fruchtaromen im Gepäck), das steinig-salzige Gerüst in Bewegung zu halten (Tannine treiben ebenfalls ihren wärmenden Spuk). Das Resultat: Eleganz! Frische wirkt hier einfach nicht aktiviert oder herbeigeholt, sondern selbstverständlich. Gewicht und Breite scheinen mit ihr nicht konkurrieren zu wollen – sie sind – leider hier die Wortwiederholung – ebenfalls selbstverständlich. Juchhe! Wie ist das schön, einen Chardonnay trinken zu dürfen, der sich universenweit von allen Winzerselbstverwirklichungsanwandlungen entfernt hat!
Ab sofort bis mindestens 2044+.
Fürsts Chardonnay „R“ von 2022 hat schon jetzt legendär konturierte Aromen und eine Bewunderung abnötigend sichere Dramaturgie. Eigene Welt, dieses Franken!